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Alt 19.03.2015, 20:23
Lutz, im Istrien Forum
Lutz offline
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Und so fing 2006 alles an....

Während unseres Urlaubs, im Spätjahr 2006, besuchten wir, wie schon so oft, eine uns bekannte Katzenfutterstation in Pula. Diese liegt abseits der von den Touristen bevorzugten Wege und wie sollte es anders sein, natürlich bei den Müllcontainern. Die Katzen werden hier von einheimischen Frauen so gut es geht versorgt und wenigstens mit Reis und Nudelresten, denen ab und an etwas Fisch- oder Fleischreste oder Sauce beigemengt ist, gefüttert.

Uns fiel etwas abseits sofort ein schwaches Kätzchen auf, welches offenbar vom Rudel verstossen war. Es setzte sich direkt vor das angebotene Trockenfutter, jammerte, aber es fraß nichts. Was sollten wir tun? Ab zum nächsten Pet-Shop und eine Dose Nassfutter besorgt, aber auch dies wurde verweigert. Ein oder zwei Tage später war das Kätzchen weiter geschwächt und wieder hatte es nichts gefressen. Es blieb keine Zeit mehr. Ein beherzter Griff, ab ins Auto und zu einem uns über die Jahre bestens bekannten Tierarzt in Pula. Der Kater war nur Haut und Knochen und ich wusste nicht, wie ich ihn richtig festhalten sollte, aus Angst ihm weh zu tun. Dort angekommen, mobilisierte der kleine Kater in absoluter Panik seine letzten Kräfte. Er kratzte und biss so, dass ich ihn nicht mehr festhalten konnte. Er flüchtete in einen angrenzenden Garten und drückte sich dort in eine Furche. Jetzt war der Garten aber umzäunt und das Tor verschlossen! Wie da reinkommen? Es blieb nur der Weg über das Tor. Gott sei Dank war Katerle mittlerweile so kraftlos, dass er sich erneut einfangen lies.



Ich war nun völlig mit den Nerven fertig - Kater auch - und eilte so schnell es ging in die Praxis. Er lies geduldig alle Untersuchungen über sich ergehen, als wenn er wüsste, dass dies seine letzte Chance war und diese Menschen ihm nur helfen wollten. Er hatte hohes Fieber, war erkältet und sein Mäulchen war voller Blasen und offener Stellen, sodass er nicht mehr fressen konnte. Ohne Hilfe wäre er in kurzer Zeit kläglich zugrunde gegangen. Er bekam sofort Antibiotika, Vitamine und Aufbauspritzen, sowie eine Wurmkur, dann ging es ab auf die Pflegestation. Schon am nächsten Tag ging es ihm deutlich besser und als er unsere Stimmen im Wartezimmer hörte, begann er laut nach uns zu rufen. Er fing an sich wieder zu putzen und sein Fell in Ordnung zu bringen. Wir besuchten ihn jeden Tag und bald war klar, dass Lucky bei uns sein neues Zuhause haben wird. Da wir noch 3 andere Kater haben, musste allerdings die Blutuntersuchung einwandfrei sein, was sie zum Glück auch war.



Die Arbeit dieser Tierarztpraxis, speziell von Nicolina (man spricht Englisch), hat schon einigen Katzen, die wir dort hingebracht hatten, das Leben gerettet. So auch dieses Mal.

Nicolina wies uns auch darauf hin, dass wir den Kater ohne Papiere und Impfungen nicht legal mit in die EU *einführen* durften. Das war uns aber gleich und so reiste Lucky als illegaler Asylant mit uns. Gott sei Dank war er an beiden Grenzübergängen still und lag schlafend im Fussraum.



Zu Hause angekommen, gingen die Probleme weiter: Durchfall und Erbrechen waren an der Tagesordnung. Zudem waren die anderen Kater extrem eifersüchtig, sodass Lucky zunächst mal 3 Zimmer, die wir vom Rest der Wohnung abtrennen konnten, bezog. Bald bekam er wieder Probleme: sein Bauch tat ihm weh und er hatte wieder Fieber. Ab zu unserem Tierarzt, Herrn Thorsten Neunzig in Ludwigshafen, röntgen war angesagt. Das Röntgenbild zeigte keinen Fremdkörper im Verdauungstrakt, dafür aber eine Gewehrkugel im Gelenk des linken Hinterlaufs und er hatte einen Bruch. Offenbar hatte Lucky bisher nur die schlechten Seiten von Menschen kennenlernen dürfen. Umso erstaunlicher war sein Zutrauen uns gegenüber. Dank der intensiven Betreuung von Herrn Neunzig und Frau Dieck ging es ihm schnell besser und er erholte sich zusehends. Von anfänglich 3,5 kg Gewicht – für einen gross gewachsenen Kater viel zu wenig – hat er sich in einem Jahr auf mehr als das Doppelte gefuttert. Dass Lucky dann noch geimpft, kastriert und gechipt wurde, ist selbstverständlich. Er war ja nun ein ordentlicher EU-Kater mit Impfpass und TASSO-Registrierung.



Lucky kannte anfangs nur die Sprache der Strasse, d.h. wenn er irgendetwas nicht wollte, biss er zu und das mitunter sehr heftig. Mit viel Geduld und Liebe und sehr viel Gelehrigkeit seitens des Katers, hat er schnell dazugelernt. Er ist heute der grösste Schmuser aller Zeiten, zwickt manchmal noch, aber nicht mit Kraft wie früher, öffnet Türen und ist sehr, sehr clever. Er weiss seine Persönlichkeit sehr gut einzusetzen und quatscht uns oft die Ohren voll. Mit den anderen gibt es nach 1 ½ Jahren zwar immer noch einige Probleme, aber wir denken ein weitgehend stressfreies Zusammenleben aller Bewohner dieses Hauses ist doch noch machbar.



So wie Lucky ergeht es leider sehr vielen Katzen in ganz Kroatien nicht nur in Pula/Istrien. Es gibt wenig Verständnis für verwilderte Katzen und sie werden als unnütz und lästig angesehen. Ja sie werden sogar misshandelt und man schiesst auf sie. Das gleiche passiert auch mit Hunden. Ein Tierleben ist nichts wert. Wir haben schon sehr viel Leid gesehen und konnten in vielen Fällen nicht mehr helfen. Einige Wenige füttern die Wilden zwar und es gibt zwischenzeitlich auch sehr gute Tierärzte, die sich engagieren, aber die Einstellung der Menschen dort ändert sich nur sehr langsam, zu langsam. Lucky, wie sein Name sagt, hatte einfach nur Glück.
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