Thema: Reisebericht Urlaubserlebnisse
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Alt 13.12.2012, 09:50
Gerold, im Istrien Forum
Gerold offline
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Freut mich wenn euch meine Geschichten gefallen.
Ein, für mich leider nicht sehr erfreuliches, Erlebnis möchte ich euch hier noch erzählen. Es war im Sommer 1988. Im Vorjahr hatte ich meine staatliche Prüfung zum Lehrwart Alpin mit Auszeichnung bestanden.
Kletterurlaub:
Starigrad: Der Inbegriff eines alten romantischen jugoslawischen Dorfes. Hier war alles noch echt. Hier gab es (und gibt es noch immer) ein paar gemütliche kleine Gasthäuser mit freundlichen Kellnern, hier gab es vor allem keinen Stress, keine Straßenbeleuchtung, und auch kein Wasser für Tee oder Kaffee auch keines zum waschen und abends keine lästigen Mücken. Denn diese wurden nämlich, durch das all abendliche Verbrennen des Hausmülls direkt am Straßenrand, verscheucht. Es gab hier damals nämlich noch keine Müllabfuhr. Diese glosenden Feuer stanken dann aufs grausamste zum Himmel, so dass man oft auch keinen Menschen auf der Straße sah.
Aber es gibt dort das Kletter- El Dorado Velebit.
Ende Juli 1988 fuhren wir auf Urlaub in dieses schöne Starigrad Paklenica. Denn als Kletterer musste auch ich einmal dort gewesen sein. Es sollte unser erster Campingurlaub in Jugoslawien werden.
Mit Monika und meinen beiden Töchtern bezogen wir unser Igluzelt an dem spartanischen Campingplatz. Auf Grund der fehlenden Ortswasserleitung bezog man das nötige Wasser von einem kleinen Bach aus der Velebitschlucht. Jeden Sommer herrschte hier Wasserknappheit. Wer hier am Campingplatz nicht schon um 6:00 Uhr morgens duschen ging (kalt natürlich) blieb den ganzen Tag verschwitzt. Wasser gab es erst wieder am nächsten Morgen.
Hier lernte ich den Gruber Richard kennen, er war Ausbilder der österreichischen Heeresbergführer in der Kaserne St. Johann in Pongau. Mit ihm und seinem Vater wanderte ich am 3. August morgens in die Velebitschlucht zum klettern. Zu dritt kletterten wir eine etwas leichtere Route um den Fels näher kennen zu lernen.
Der Fels war sehr rau und übersät von Wasserrillen, die an den Graten äußerst scharf waren, aber traumhaft zum Klettern. Es war später Vormittag als Richards Vater sich zur Rückkehr entschloss. Wir hatten mittlerweile fast 40 Grad im Schatten. Richard und ich wollten noch eine Route klettern und kurz nach Mittag ebenfalls zurück sein. Wegen der Hitze blieben die Steinschlaghelme im Rucksack, ein fataler Fehler.
Wir waren schon kurz vor dem Ausstieg. Ich ging gerade voraus, das Gelände war relativ leicht. Trotzdem legte ich nach ca. 15 Metern einen Klemmkeil zur Zwischensicherung und stieg weiter.
Was dann anschließend geschah kann ich nur wie die Bilder eines Diavortrages wiedergeben. (Vermutlich hatte mich ein kleiner Stein am Kopf getroffen) Ich möchte gerade höher steigen: plötzlich ist es finster. Nächstes Bild: ich stehe mit dem Rücken zur Felswand, keine Gedanken. Nächstes Bild: ich falle kopfüber aus der Wand, ich habe keinen Schreck und auch keine Angst, einziger Gedanke: jetzt ist es also aus, eigentlich schade.
Ich bin ungefähr 12 Meter die Wand hinab gestürzt und habe, da die Kletterstrecke relativ leicht war, oftmals am Fels aufgeschlagen. Doch dessen war ich mir noch nicht bewusst.
Nächstes Bild: Richard reißt sich sein T-Shirt vom Leib und verpasst mir damit einen Kopfverband, ich habe vermutlich ganz schön geblutet. Mehrmals musste Richard mich angeschrien haben. -- Nein; ich kann mit dem rechten Fuß nicht auftreten. Richard band mich auf seinen Rücken. Plötzlich sah ich mehrere Kletterer, welche Richard bei meiner Bergung halfen. Ich musste ihm wie ein nasser Sack zur Last gefallen sein. Irgendwann, so erzählten sie mir, stand in der Schlucht ein Jugoslawisches Rettungsauto. Wie lange Richard noch brauchen würde, riefen die Rettungsfahrer in gebrochenem Deutsch hinauf. Richard brüllte zurück: noch zirka eine Stunde. So lange hätten sie keine Zeit, riefen die „Helfer“ und fuhren davon.
Endlich waren wir unten, Richard war total erschöpft. Ich hatte noch immer keinen klaren Durchblick. Zwei deutsche Kletterer packten mich in ihr Auto und brachten mich in die 40 Kilometer entfernte Klinik in Zadar.
Hier legte man mich rücklings auf eine Art Wagen. Schon sehr bald kam ein Folterknecht in Form einer dicken Krankenschwester. Ohne auf mein Schreien zu hören, schor sie, mit einem wie es scheint extra stumpfen Rasiermesser, meine Lockenpracht vom Kopf. Im Behandlungsraum musste ich mich auf dem Bauch legen, damit mir der Arzt meine Platzwunde am Kopf nähen konnte. (22 cm lang) Ich sollte mich doch auf meine linke Hand legen. Doch da waren die Mittelhandknochen gebrochen. Es waren schon einige Stiche am Kopf genäht, da fiel dem Doktor ein, dass er ja auch Injektionen zur Verfügung hatte, „Spritze für Schmerz“ sagte er. Im selben Augenblick spürte ich höllischen Schmerz von der rechten Ferse und zuckte zusammen. Da hatte ich nämlich eine tiefe Schnittwunde. „Nix bewegen“ rief der Folterknecht an meinem Kopfende. Ein Hilfsfolterknecht hatte sich also an meiner Ferse zu schaffen gemacht.
Es dauerte für mich unwahrscheinlich viele Ewigkeiten, als plötzlich Monika und Richard vor mir standen. „Bitte“ flehte ich Monika an, „bitte, lass´ mich um Gottes Willen nicht hier in dieser Folterkammer“.
Ich musste versprechen, dass ich in Starigrad zu einem Doktor gehen würde, dann entließ mich der Arzt aus seinen Fängen.
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„You look like a churchman!“ sagte am nächsten Tag der praktische Arzt in Starigrad mit lachendem Gesicht. Mit einer Zigarette im Mund nahm er mir den Verband vom Kopf, kontrollierte die Verletzung und wickelte mir wieder frisches Mull um den Schädel. Nach einer weiteren grausamen Nacht im Zelt musste Monika uns mit dem Auto nach Hause bringen.
Nie wieder kletterte ich ohne Steinschlaghelm.
LG Gerold
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