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Alt 07.06.2022, 23:21
Egbert offline
Kroatien-Fan
 
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Standard Buchtipp "am Rande Istriens"

Im Gmeiner-Verlag sind zwei Bücher von Günter Neuwirth erschienen, die ich sehr empfehlen kann: "Dampfer ab Triest" und "Caffè in Triest". Beides sind eigentlich Kriminalromane, die der Autor im Jahr 1907 angesiedelt hat, bieten darüber hinaus aber jede Menge an interessanten und wissenswerten Fakten.

Als Küstenland-Liebhaber, der sich einigermaßen mit der Geografie und der neueren Geschichte der Region auskennt und der Triest schon des Öfteren besucht hat, ist man beinahe in der Lage, beim Lesen der Texte den Kaffee zwischen den Buchdeckeln zu riechen und zwischen den Seiten das Rumpeln eines Ochsenkarrens zu hören, wenn er über die Gleise der Riva-Bahn holpert. Lokalkolorit und Zeitgeist sind perfekt eingefangen, was sich auch in der Sprache der Protagonisten widerspiegelt.

Die beiden Romane sind aber noch aus anderen Gründen lesenswert:
Die Recherche - bzw. das Wissen des Autors über relevante Fakten ist beeindruckend. Ich kann das in einigen Bereichen (wie z.B. Österr. Lloyd, Eisenbahnen usw.) beurteilen, habe aber auch viel an Informationen ganz allgemein (wie etwa die Polizeistrukturen zur damaligen Zeit) und über Triest dazu gelernt..
Der Autor thematisiert neben der eigentlichen „Story“ viele für Triest (und natürlich auch für Istrien) wichtige Themen, wie beispielsweise das „slawische Erwachen“ oder den Irredentismus und schafft es auch noch, so ganz nebenbei allgemeine Themenbereiche wie das Problem des Vielvölkerstaates, das letzten Aufflackern des Feudalismus, die Emanzipation der Frauen usw. anzusprechen
Daneben wird eine Unmenge an Informationen über Neuerungen, Erfindungen, Funktionsweisen verschiedener Geräte usw. so ganz nebenbei eingeflochten, ohne dass das irgendwie „künstlich hineingequetscht“ oder „belehrend“ wirkt. (Die Erfinder der erste Zahnpaste in Tuben finden ebenso Erwähnung wie die in der Polizeiarbeit damals neue Methode des Abnehmens von Fingerabdrücken, verschiedene Arten der damaligen Schreibmaschinen oder Monatsbinden aus Torfmoos (übrigens "made in Germany") u.ä. Ich habe nach der Lektüre einige dieser Dinge im Internet recherchiert - alle diese Details stimmen.
Recht praktisch ist auch das Personenverzeichnis am Anfang der Bücher, in dem die Hauptcharaktere stichwortartig vorgestellt werden.

Nach so viel positiven Aspekten ein recht subjektiver Kritikpunkt: Bei den Liebesgschichterln, die in beiden Büchern eine große Rolle spielen, weiß der Autor nicht so recht, ob er Anleihen bei Rosamunde Pilcher oder in einem erotischen Schundroman nehmen soll. Aber das ist, wie gesagt, mein sehr subjektives Empfinden.

Die beiden Bücher sind Teile einer Trilogie, deren dritter Teil noch nicht erschienen ist.
"Dampfer ab Triest" war der erste Teil; mir persönlich hat aber Teil 2 "Caffè in Triest" besser gefallen.
Ich bin neugierig, wie es Inspektor Zabini weiter ergehen wird und freue mich schon auf den dritten Band.
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